Knöllchen auf Privatparkplatz – wer muss zahlen?

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Ein Knöllchen hat wohl schon jeder einmal kassiert. Freundliche Politessen oder nette Ordnungshüter kontrollieren den sogenannten öffentlichen Verkehrsraum. Sie dekorieren bei unachtsamen Falschparkern die Windschutzscheiben mit schönen Zetteln. Wie sieht es aber auf privaten Parkplätzen oder privaten Straßen aus? Wer ist dort zuständig? Und sind Knöllchen, die ein privater Überwachungsdienst verteilt, überhaupt verbindlich? Das sind Fragen, die sich bei ständig verknappenden Parkmöglichkeiten immer öfter allen Verkehrsteilnehmern stellen. Gut, dass der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt die Möglichkeit hatte, seine grundsätzlichen Gedanken zu diesen Problemen zu formulieren.

Was war passiert:

Die klagende Firma bewirtschaftet für die jeweiligen Grundstückseigentümer zwei private Krankenhausparkplätze. Die Parkplätze sind durch Hinweisschilder als Privatparkplätze gekennzeichnet. Es gibt eine Höchstparkdauer, die bei Benutzung einer Parkscheibe kostenlos ist. Und es gibt für Krankenhausmitarbeiter, die einen Parkausweis haben, reservierte Flächen. Das bewirtschaftende Unternehmen weist durch Schilder die Nutzer darauf hin, dass bei widerrechtlichem Parken 30,00 € als „erhöhtes Parkentgelt“ fällig werden.

Die Beklagte ist Halterin eines Pkws. Dieser stand einmal auf dem Parkplatz des Krankenhauses unter Überschreitung der Höchstparkdauer. Später stand er zwei Mal unberechtigt auf einem Mitarbeiterparkplatz. Die drei am Pkw hinterlassenen Knöllchen führten nicht zur Zahlung des „erhöhten Parkentgelts“ durch die Beklagte. Sie bestritt vielmehr, die Fahrerin des Pkws gewesen zu sein.

In den ersten beiden Instanzen blieb die klagende Firma erfolglos. Amts- und Landgericht meinten, dass nur der Fahrer die Zahlung der „erhöhten Parkentgelte“ schulde und nicht der Fahrzeughalter. Die Beklagte habe wirksam ihre Fahrereigenschaft bestritten.

Das sah der BGH anders und verwies die Sache zurück an das Landgericht.

Das meint der BGH:

Der BGH besinnt sich zunächst auf das kleine 1 x 1 des Schuldrechts: Ein Vertrag kommt stets durch Angebot und Annahme zustande. Nichts anderes gilt hier: Der Fahrer schließt mit dem Betreiber des privaten Parkplatzes einen Nutzungsvertrag, wenn er dort sein Fahrzeug abstellt. Er nimmt das in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs an. Das „erhöhte Parkentgelt“ stellt eine Vertragsstrafe dar. Diese ist durch die Hinweisschilder als allgemeine Geschäftsbedingung wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Richter sehen auch die 30 € für ein „Knöllchen“ als angemessen an.

Grundsätzlich stimmt der BGH dann den Vorinstanzen zu: Die Beklagte haftet nicht für die Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft. Der Halter eines Fahrzeugs hat gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine Pflicht, Auskunft über den tatsächlichen Fahrer zu erteilen. Anders als das Landgericht meint der BGH aber, dass die Beklagte nicht wirksam bestritten hat, Fahrer gewesen zu sein.

Wer hat beim Knöllchen die Darlegungs- und Beweislast?

Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch immer dessen Fahrer ist, besteht nicht. Das begründet sich damit, dass Halter- und Fahrereigenschaft in der Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Darf man aber für eine gewisse Zeit kostenfrei parken, dann reicht für den Halter ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft nicht mehr aus. Vielmehr muss er laut BGH vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam.

Der BGH hat erkannt, dass das Parken auf einem privaten Parkplatz ein anonymes Massengeschäft ist. Der Betreiber des Parkplatzes hat keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners festzustellen, wenn dieser sein Fahrzeug unberechtigt abstellt. Demjenigen, der kostenfreie Parkplätze zur Verfügung stellt, ist nach Ansicht der Richter auch nicht zuzumuten, zum Beispiel ein Schrankensystem oder eine andere Anlage zur Überwachung zu errichten.

Der Halter, der seine Fahrereigenschaft bestreitet, hat grundsätzlich eine prozessuale Wahrheitspflicht. Ihm ist es regelmäßig und auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne weiteres noch möglich und zumutbar, mögliche Fahrer zu benennen. Schließlich ist es der Halter, der es in der Hand hat, wer mit seinem Fahrzeug durch die Gegend fährt.

Das Landgericht wird nun unter Beachtung der vom BGH festgelegten Grundsätze neu entscheiden müssen. Wir dürfen gespannt sein.

BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019, XII ZR 13/19

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