Umgangsrecht trotz Adoption ist möglich

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Wird ein minderjähriges Kind adoptiert, so verliert es normalerweise die rechtliche Bindung an seine bisherige Familie. Das gilt auch für das Umgangsrecht der leiblichen Eltern. Aber natürlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Dem auch für das Familienrecht zuständigen XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs lag die Frage zur Entscheidung vor, ob das Umgangsrecht des leiblichen Vaters bestehen bleibt, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist.

Was ist geschehen?

Die Kindesmutter lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit ihrer Lebenspartnerin. Mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers, also des leiblichen Kindesvaters, wurde ein Kind gezeugt. Es kam im August 2013 zur Welt. In 2014 adoptierte die Lebenspartnerin das Kind im Wege der sogenannten Stiefkindadoption. Der leibliche Vater war einverstanden.

Für vier Jahre hatte der Kindesvater dann noch Umgangskontakte mit dem Kind. Die fanden stets in Begleitung eines rechtlichen Elternteils statt. Das Kind wusste, dass der Kindesvater sein leiblicher Vater ist. Im Sommer 2018 wollte der Kindesvater dann das Kind auch einmal bei sich zuhause sehen und auch nicht nur für ein paar Stunden. Die Eltern lehnten das ab. Es gab noch zwei weitere Umgangstreffen. Dann brach der persönliche Kontakt zwischen Kindesvater und Kind ab.

Der Kindesvater hat als Antragsteller beim Familiengericht eine Umgangsregelung beantragt, wonach er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kita abholt und es am gleichen Tag um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat als Familiengericht den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Seine Beschwerde zum Kammergericht in Berlin ist erfolglos geblieben.

Als nächste Instanz ist der Bundesgerichtshof (BGH) zuständig. Er hat den Fall anders gesehen und den Beschluss des Kammergerichts auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hin aufgehoben. Allerdings hat der BGH nicht in der Sache selbst entschieden, sondern das Verfahren zur neuen Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Und das sagt der BGH:

Der BGH räumt zwar ein, dass dem leiblichen Vater nach der Adoption kein Umgangsrecht nach § 1684 BGB zusteht. Dieses haben nur die rechtlichen Eltern. Selbst das Umgangsrecht von engen Bezugspersonen (§ 1685 Abs. 2 BGB) kommt hier nicht zum Tragen. Die erforderliche sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat der BGH aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Kontakte nicht erkennen können.

Allerdings lässt sich ein Umgangsrecht mit § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB begründen, dem Umgangsrecht des leiblichen Vaters. Voraussetzung dafür ist, dass der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat. Und: Der Umgang muss dem Kindeswohl dienen.

Für den BGH schließt die durchgeführte Adoption das Umgangsrecht nicht aus. Es besteht aus seiner Sicht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin der Mutter. Und die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Anders wäre es, wenn in der Einwilligung in die Adoption zugleich ein Verzicht auf ein Umgangsrecht gelegen hätte. Hier hat das Kind aber mit Zustimmung aller Beteiligten seinen leiblichen Vater kennengelernt und mit ihm Umgang gehabt.

Grundsätzlich ist also dem leiblichen Vater ein Umgangsrecht einzuräumen. Wie dieses aber konkret zu gestalten ist, hängt davon ab, ob der Kindesvater tatsächlich ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt hat und ob der Umgang dem Kindeswohl dient. Mit diesen Fragen musste sich das Kammergericht als Vorinstanz bislang nicht beschäftigen. Dazu bekommt es aber nun Gelegenheit. Dar BGH verweist das Verfahren zurück und das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob und inwiefern der Umgang im konkreten Fall dem Kindeswohl dient. Dazu muss das Berliner Kammergericht das jetzt schon siebenjährige Kind persönlich anhören.

BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021 – XII ZB 58/20

(Foto von sarahbernier3140 bei Pixabay)

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